Forschungsstand Walking Fußball
Die bisherige Studienlage zum gesundheitlichen Nutzen von Walking Fußball (WF) ist sehr überschaubar. Bisher existieren nur wenige wissenschaftliche Arbeiten, die methodisch noch deutlich ausbaufähig sind (kleine Teilnehmerzahl, kurzer Beobachtungszeitraum, nur teilweise Kontrollgruppen).
Dennoch ergeben sich aus den bisherigen Daten Hinweise, dass regelmäßiges WF-Training (1-2 Stunden/Woche) mittel- bis langfristig den Blutdruck senkt (1), die Ausdauerfähigkeit steigert (2,3), die Körperfettmasse reduziert (2) und im Gegensatz dazu die Muskelmasse erhöht (3).
Zudem wurde beobachtet, dass durch regelmäßiges WF-Training die Herzleistung verbessert wird (4) und die körperliche Leistungsfähigkeit gesteigert werden kann (5).
Unsere aktuelle Studie konnte zeigen, das WF durchaus auch eine geeignete Sportart für Herzpatienten sein kann (Clin J Sports Med, Sep 2024):
Körperliche Beanspruchung von Walking Fußball im Vergleich zu Walking und Altherren-Fußball ab einem Alter von 50 Jahren
Autoren: Florian Egger, Anja Ditscheid, Tim Meyer
Walking Fußball (WF), zu Deutsch „Gehfußball“, stellt als milde Fußballvariante (Regeln: Laufen, harter Körperkontakt und Ball über Kopfhöhe verboten) eine Alternative für Spieler aus dem Altherren-Fußball (AF) dar, die sich beim herkömmlichen Fußballspielen überbeansprucht fühlen. Die Zielgruppe von WF umfasst jedoch auch Nicht-Fußballer, im Wesentlichen Männer und Frauen ab einem Alter von 50 Jahren. Ob WF auch für Patienten mit orthopädischen oder internistischen Einschränkungen bzw. Erkrankungen geeignet ist, wurde bisher unzureichend untersucht. Zudem sind die Belastungsintensität und die spezifischen Bewegungscharakteristika von WF unklar. Ein direkter Vergleich dieser Parameter zwischen WF und AF oder zwischen WF und bereits bei internistischen Patienten etablierten Präventivsportarten wie Walking (WA) ist bisher nicht erfolgt. Die vorliegende Studie nimmt sich dieser Problematik an, um einerseits WF hinsichtlich Belastungsintensität und Bewegungsmuster besser charakterisieren zu können und andererseits zu beurteilen, ob WF eine mögliche Alternative zu WA darstellt.
Die Studie fand von Juni bis Oktober 2021 statt. Als Probanden dienten zwei verschiedene Studienpopulationen. I) Über lokale Fußballvereine wurden AF-Spieler und II) über die Herz- und Präventivsportgruppe der Universität des Saarlandes internistische Patienten rekrutiert. Alle Probanden erhielten eingangs eine sportmedizinisch-internistische Untersuchung bestehend aus Anamnese, körperlicher Untersuchung, Ruhe-EKG, Belastungs-EKG und Echokardiographie. Die Studie gliederte sich entsprechend der Studienpopulationen in zwei Abschnitte.
Im ersten Studienteil absolvierten 20 männliche AF-Spieler (Alter 67 ± 8 Jahre) jeweils ein Spiel WF und AF (Spieldauer 2x20 min, 5 Spieler pro Mannschaft). Herzfrequenz (HF), subjektives Anstrengungsempfinden (Borg-Skala 6-20), visuelle Schmerzskala (0-100%) bis 72 Stunden nach dem Spiel und Bewegungscharakteristika (Videokameraaufzeichnung: Gesamtschrittzahl, Ausfallschritte, Rückwärtsschritte, Richtungswechsel >90°) wurden verglichen. Ein Laufband-Stufentest im Rahmen der Eingangsuntersuchung diente neben der Ermittlung der maximalen Herzfrequenz (HFmax) auch einer Objektivierung der kardiozirkulatorischen Leistungsfähigkeit. Zudem führten alle AF-Spieler einen WA-Test auf dem Laufband (2x20 min) bei individueller maximaler Gehgeschwindigkeit durch. Hierbei erfolgte eine Atemgasmessung zur Kalkulation des Kalorienverbrauchs (indirekte Kalorimetrie) sowie eine Ermittlung der Schrittzahl (Videokameraaufzeichnung).
Im zweiten Studienabschnitt absolvierten internistische Patienten (Alter: 69 ± 10 Jahre, männlich n=13, weiblich n=5) ein Spiel WF (Spieldauer 2x10 min, 4 oder 5 Spieler pro Mannschaft) und einen WA-Test auf einer Laufbahn (2x10 min). Herzfrequenz (HF), subjektives Anstrengungsempfinden (Borg-Skala 6-20) und Schmerzskala (0-100) bis 72 Stunden nach der Belastung wurden zwischen WF und WA verglichen. Zudem erfolgte eine Analyse der Gesamtschrittzahl der internistischen Patienten beim WF und WA mittels Videokameraaufzeichnung.
Studienteil 1: Bei den AF-Spielern war der prozentuale Anteil der absolvierten Spielzeit im Intensitätsbereich 90-100% HFmax beim AF (34 ± 31%) im Vergleich zum WF (15 ± 21%) höher (p=0,013). Während des AF war die höchste HF (163 ± 14 Schläge/min) im Vergleich zum WF (150 ± 16 Schläge/min) höher (p=0,001). Die mittlere HF unterschied sich zwischen WF (124 ± 18 Schläge/min; 76 ± 10 %HFmax) und AF (133 ± 22 Schläge/min; 82 ± 14 %HFmax) nicht (p=0,16). Das subjektive Anstrengungsempfinden (Borg-Skala 6 bis 20) wurde beim AF (13,8 ± 1,1) höher als beim WF (11,8 ± 1,4) angegeben (p<0,001). Das Schmerzempfinden unterschied sich 0, 24, 48 und 72 Stunden nach Belastung nicht (p=0,63). Für die Gesamtschrittzahl pro Spiel ergaben sich für WF (3822 ± 452 Schritte) und AF (3801 ± 541 Schritte) keine Unterschiede (p=0,85). Beim WA (4677 ± 291 Schritte) wurden deutlich mehr Schritte zurückgelegt als beim WF (3822 ± 452 Schritte; p<0,001) und AF (3801 ± 541 Schritte; p<0,001). Der ermittelte Kalorienverbrauch über 2x20 Minuten lag beim WA (189 ± 34 kcal) höher als beim WF (154 ± 37 kcal; p<0,001) und AF (157 ± 40 kcal; p<0,001).
Studienteil 2: Unter den internistischen Patienten unterschied sich der prozentuale Anteil der Spielzeit im Intensitätsbereich 90-100% HFmax zwischen WF (42 ± 33 %) und WA (28 ± 33 %) nicht (p=0,15). Die höchste HF lag beim WF (154 ± 17 Schläge/min) höher (p<0,001) als beim WA (129 ± 20 Schläge/min). Beim WF wurde eine höhere (p=0,01) mittlere HF (126 ± 17 Schläge/min; 79 ± 12 %HFmax) erreicht als beim WA (114 ± 16 Schläge/min; 71 ± 11 %HFmax). Die Herzfrequenzvariabilität (Variationskoeffizient) unterschied sich nicht (p=0,13) zwischen WF (10,3 ± 5,8 %) und WA (7,1 ± 5,5 %). Beim subjektiven Anstrengungsempfinden (Borg-Skala 6 - 20) ergab sich kein Unterschied (p=0,63) zwischen WF (12,1 ± 2,7) und WA (11,9 ± 3,0). Das Schmerzempfinden 0, 24, 48 und 72 Stunden nach Belastung unterschied sich zwischen WF und WA nicht (p=0,96). Die Gesamtschrittzahl beim WF (1877 ± 162 Schritte) lag verglichen zum WA (2511 ± 143 Schritte) niedriger (p<0,001).
Schlussfolgernd lässt sich festhalten, dass WF aufgrund seiner niedrigeren Belastungsintensität (potentiell geringere kardiovaskuläre Gefährdung) und höheren Belastungstoleranz im Vergleich zum AF, AF-Spielern über 50 Jahren, die sich muskuloskelettal und/oder konditionell überbeansprucht fühlen, als alternative Fußballvariante zu empfehlen ist. Für internistische Patienten kann WF als Teilinhalt eines präventivsportlichen Trainings empfohlen werden, da Bereiche hoher Belastungsintensität nicht häufiger sind als beim WA und sich die Herzfrequenzvariabilität, das Anstrengungsempfinden und Schmerzempfinden zwischen WF und WA nicht unterscheidet.
Referenzen:
1. Walking football as sustainable exercise for older adults- A pilot investigation
P. Reddy, I. Dias, C. Holland, N. Campbell, I. Nagar, L. Connolly, P. Krustrup, H. Hubball (2017), European Journal of Sport Science
2. The impact of 12 weeks walking football on health and fitness in males over 50 years of age
J.T. Arnold, S. Bruce-Low, L. Sammut (2015), BMJ Open Sport & Exercise Medicine
3. Anthropometrical and fitness level changes following a 12-week walking football program for obese primary school children aged 8-11
J. Zulkarnain, K. Jeffrey, A.H. Haireen, A. Ahmad Tajuddin Nur (2018), Medicina dello Sport
4. Cardiovascular adaptions to 4 and 12 months of football or strength training in 65- to 75-year-old untrained men
J.F. Schmidt, P.R. Hansen, T.R. Andersen, L.J. Andersen, T. Hornstrup, P. Krustrup, J. Bangsbo (2014), Scandinavian Journal of Medicine & Science in Sports
5. Effect of football or strength training on functional ability and physical performance in untrained old men
T.T. Andersen, J.F. Schmidt, J.J. Nielsen, M.B. Randers, E. Sundstrup, M.D. Jakobsen, L.L. Andersen, C. Suetta, P. Aagaard, J. Bangsbo, P. Krustrup (2014),
Scandinavian Journal of Medicine & Science in Sports